Klang und Gehirn
Im Folgenden soll kurz ein Gedankengang durchgespielt werden, der die Einschätzung von Qualitätsmerkmalen der Klangreproduktion unter bestimmten psychologischen Annahmen beleuchten soll.
Lernen hinterlässt "Pfade" im Gehirn
Das Gehirn verfügt über eine im Kindesalter bereits mengenmäßig im Wesentlichen ausgeprägte Gesamtheit von Nervenzellen. Zwischen den Nervenzellen existieren Reizleitungsmechanismen, die organisch durch faserartige Gebilde und Synapsen realisiert werden. Pro Nervenzelle können etwa 10.000 Synapsen gerechnet werden. Die Reizleitungselemente sind in der Lage, ihre Konstellation zu ändern und sich so den Anforderungen anzupassen. Die Verschaltung der Nervenzellen ist ein sehr dynamisches Geschehen und steht somit im Gegensatz zu der Vorstellung, dass die bloße Anzahl der Nervenzellen im Gehirn im Verlauf des Lebens bestenfalls in etwa konstant oder aber rückläufig ist.
Es liegt nahe, diesen dynamischen, durch das System der Synapsen repräsentierten Vorgang im Zusammenhang mit dem Lernen zu verstehen. Eine mögliche Hypothese könnte lauten, dass es sozusagen eine Art "Auslese" der erfolgreichen Konstellationen gibt. Die Bedingungen, die hier zur Ausprägung der Muster hinreichen, können unterschiedlichen Kriterien unterliegen. So lassen sich durch bloße Wiederholung der Reiz-Ausübung physiologisch "verstärkte" Synapsenübergänge experimentell erzeugen. Ob diese Verbindungen jedoch im Rahmen eines Vorgangs der gesamt menschlichen Orientierung überlebt, mag auf noch vielen weiteren Voraussetzungen beruhen. So ist beispielsweise oftmals entscheidend, ob die Stimulation auch in andere Gehirnregionen verzweigt. Begrifflich wäre hier von "Assoziation" zu reden, die in vielen Fällen ein "Merken" der Signalkonstellation fördert.
Die verfolgbaren Ansätze sind beliebig komplex und die wissenschaftliche Untersuchung erfordert jeweils ein hohes Maß an Abgrenzung und Bewusst-Machung der inverstierten Modelle und Paradigmen.
Es soll an dieser Stelle lediglich allgemein festgehalten werden, daß Lernvorgänge mit physiologischen Veränderungen korreliert sind. Reizleitungsvorgänge beeinflussen dabei in der Regel nachfolgende Reizleitungsvorgänge - vorhandene Muster prägen die Wiedererkennung ähnlicher Muster. Der Apparat, welcher für unsere Erfahrung und unser Wissen zuständig ist, funktioniert so.
Priming von Hörverarbeitung
Das unter dem Namen "Laurel vs. Yanny" bekannt gewordene akustische Phänomen wird oft im Zusammenhang mit dem sogenannten Priming erklärt. Zusammengefasst handelt es sich dabei um den Umstand, dass die semantische Interpretation von akustischen Inhalten von Vorbestimmungen beeinflusst werden. Diese Vorbestimmungen können ganz unterschiedlicher Natur sein, etwa:
- kulturelle Prägung, beispielsweise die Tonalität der Muttersprache
- Hörvermögen, also sozusagen die frequenzabhängige Empfindlichkeit des eigenen Gehörs
- direkte Beeinflussung, durch Vorsagen oder ähnliches
Es ist zunächst ein gewisser Weg von dem Begriff "semantische Interpretation" zum dem hier zu überprüfenden Einschätzen von Klangqualität. Mit anderen Worten: Es ist nicht ohne weiteres klar, dass die wissenschaftlich belegte Abhängigkeit von Vor-Wissen bei der Aufgabe, einem akustischen Signal einen Begriff zuzuweisen, auch die Bewertung von HiFi-Komponenten betrifft. Die Hypothese der Übereinstimmung wird jedoch dadurch intuitiv plausibel, dass bei der Beschreibung von Musikreproduktion qua technischem Gerät Ausdrücke wie "Räumlichkeit", "Auflösung", "Ablösung", "Konturiertheit", etc. verwendet werden, also Begriffe, deren Bedeutung jeweils anderen (nicht-akustischen) Zusammenhängen entlehnt ist, und somit semantische Konstruktion sind. Die Gesamtheit der Akustischen Erfahrung kann und muss letztendlich auf andere Vorstellungen referenzieren, die sich wiederum aus Erfahrung konsolidiert haben und zur Verfügung stehen oder durch Lernvorgänge erst erzeugt und vertieft werden können.
Das Ausgeschlossen-Sein von "Nicht-Lernen"
Raum oder nicht Raum
Guru oder Vergleich
(Spin-off zur Frage, ob Unterschiede zwischen Signalquellen langzeitig oder nur kurzzeitig erkennbar sind)
Der hier vorliegende Artikel verzichtet auf die Angabe von Zitaten, da die Überlegungen auf bereits aufbereiteten Darstellungen basieren. Diese müssten ihrerseits Zitate und Referenzen kenntlich machen, oder aus ähnlichen Gründen darauf verzichten.
Das Vertrauen auf die verwendeten Quellen basiert insofern nicht auf dem Beleg mit wissenschaftlichen Primärartikeln oder anerkannten Übersichtsartikeln, sondern auf der Qualität der Äußerungen, bzw. dem Rang der Vortragenden.
Inspiration für die oben verwendeten Argumente waren im Wesentlichen folgende:
Manfred Spitzer - Das menschliche Gehirn: Möglichkeiten und Grenzen https://www.youtube.com/watch?v=pHOIdOG9oJM
MaiLab Die Wissenschaft des Hörens | Laurel vs. Yanny https://www.youtube.com/watch?v=VEOCvt1AzC4